Der Himmel über Corona
Der Himmel über Corona war blau. Er war von einem reinen, tiefen Blau, wie es die Menschen seit bald achtzig Jahren nicht mehr gesehen hatten. Nicht gekannt hatten. Ein unberührtes Blau, von dem die letzten vier, fünf Generationen der Menschen nichts mehr gewusst hatten. Die allgegenwärtigen weißen Pinselstriche, mit denen sich die moderne, weltumspannende Zivilisation Tag für Tag in Form wirkmächtiger Zeichen an den Himmel gemalt hatte, waren verschwunden.
Kapitel 1
Auch Schriftsteller haben Zeiten, in denen sie zum Nichtstun verdammt sind. Dann beispielsweise, wenn sie Zuhause in Quarantäne sitzen; das jüngste Manuskript nach der letzten Überarbeitung abgegeben ist, und sie - eigentlich - Urlaub am Okavango mitten in Afrika machen wollten. An den Ausläufern dieses mächtigen Stroms, der, am Ende seines Weges aller Kraft beraubt, leise und sanft seinen Atem im urtümlichen Delta aushaucht und zugleich tausendfaches Leben spendet.
Ur - Laub. Nichts - Tun. Und nun das! Die Koffer stehen noch gepackt an der Haustür. Der bereitgelegte Tropenhut an der Garderobe der Lächerlichkeit preisgegeben. Die beiden wertlosen Tickets auf der Kommode im Flur. Ich - allein. Dorothee so weit weg, als länge ein Kontinent zwischen uns. Und Julia - Julia in größter Gefahr!
Wenn wenigstens eine Nachricht käme. Irgendeine! Nein, denke ich - die Schlimmste will ich nicht hören. Es nützt nichts! Panische Gedanken stoben in alle Richtungen davon. Damals. Jetzt wieder! Ruhig bleiben! sage ich mir. Durchhalten! Überdauern! Zur Ruhe kommen. Mach, was Du am Besten kannst!